4: Rehabilitationsfähigkeit
Eine Voraussetzung für die Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation der Renten- und Krankenversicherung stellt neben der Rehabilitationsbedürftigkeit und einer positiven Rehabilitationsprognose, die sogenannte Rehabilitationsfähigkeit dar. Operationalisiert wird die Rehabilitationsfähigkeit durch einen hohen Grad an Selbstständigkeit und Mobilität (z.B. sich selbstständig waschen und auf Stationsebene bewegen können) sowie die Belastbarkeit zur Teilnahme an den therapeutischen Maßnahmen. Dadurch fallen Menschen mit stärkeren Funktionseinschränkungen oder mit einem höheren Betreuungsbedarf trotz möglichweise hohem Rehabilitationsbedarf (z.B. Menschen mit geistiger und/oder Mehrfachbehinderung) durch das vorhandene Versorgungsraster, auch oder vor allem, da entsprechende Angebote fehlen.
Dabei hat Begriff der Rehabilitationsfähigkeit keine Grundlage in der Sozialgesetzgebung. Nach den §§4 und 42 SGB IX geht es ausschließlich darum, dass die Leistungen mit Wahrscheinlichkeit zu einer Verbesserung der Teilhabe führen, also relevante Teilhabeziele erreicht werden können. Ablehnungen von Rehabilitationsanträgen mit Hinweis auf einer im o.g. Sinne fehlende Rehabilitationsfähigkeit stehen auch im Widerspruch mit den Prinzipien der UN-Behindertenrechtskonvention (2009) und der Resolution zur Rehabilitation der Weltgesundheitsversammlung vom 27. Mai 2023, nach denen Menschen mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen ihren Bedarfen entsprechende Rehabilitationsdienste und Rehabilitationsprogramme zur Verfügung stehen sollen. Das Konstrukt der Rehabilitationsfähigkeit basiert im Grunde auf den Betreuungsmöglichkeiten von Rehabilitationseinrichtungen (z.B. mangelnde personelle und strukturelle Ausstattung der jeweiligen Rehabilitationsklinik) und bezieht sich offenbar nicht auf die Eigenschaft der Person.
Die AG diskutiert, ob durch die Anwendung des Konstrukts der Rehabilitationsfähigkeit Patientengruppen mit Rehabilitationsbedarf die Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation systematisch verwehrt und diese Patientengruppen dadurch systematisch ausgrenzt werden und publiziert diese Diskussion. Darüber hinaus werden Vorschläge unterbreitet, wie über eine ausdifferenzierte Definition der Betreuungskapazität von Rehabilitationseinrichtungen ein an den Bedarfen und dem tatsächlichen Rehabilitationspotenzial von Rehabilitanden/innen ausgerichteten Zugang zur Rehabilitation ermöglicht werden kann.
Sprecher: Dr.phil. Christoph Egen